KI in Rotation

Wie Worte Bilder erstellen, die mehr sagen als tausend Worte

Anfang 2023 sah ich auf meinem Smartphone (schöne, neue Welt) während einer Busfahrt zu meiner Arbeitsstätte, einen langen Vortrag von Boris Eldagsen. Er referierte über seine Experimente mit KI-Tools, die mit Hilfe von sogenannten Prompts Bilder entstehen lassen. Die Resultate waren verblüffend und fotorealistischen Arbeiten sehr nahegekommen. Ich war zutiefst beeindruckt und hatte das Gefühl, dass ich Beteiligte eines Jahrhundertumbruchs geworden bin.
Worte lassen Bilder entstehen, die dann mehr sagen als tausend Worte. 

Ich dachte an eine Szene von Stanley Kubriks Film „A Space Odyssey“. Ein affenähnliches Wesen wirft zu Beginn des Films einen Knochen, der zuvor als Waffe und Werkzeug begriffen und benutzt wurde, in die Höhe gen Himmel.
Die Erfindung des Werkzeugs und der Waffe – ein großer Evolutionsschritt. Die sich bombastisch steigernde Musik dieser Szene stammt von Richard Strauss (war nicht mit Johann verwandt) „Also sprach Zarathustra“ und lässt die bedrohliche Konsequenz der neuen Erkenntnis zur Macht erahnen.

Aber zurück zum Knochen! Die Kamera folgt dem rotierendem Gebein in den blauen Himmel, wo dieses sich im nächsten Moment in ein knochenförmiges, ebenfalls rotierendes Raumschiff vor schwarzem Himmel und Erde verwandelt.
Zu dieser Szene werden leise die ersten Klänge  des Walzers von Johann Strauss (war nicht mit Richard verwandt) „An der schönen blauen Donau“ angestimmt. Das Bild des kalten, luftlosen, unendlich stillem Weltall wird mit alter, heimeliger, tanzender Heiterkeit übertönt. Ein Walzer der einen taumelnd in die neue Welt schaukelt.

Ein Filmschnitt, ein Jahrhundertschnitt, der Filmgeschichte machte, zeigt, wie ein Knochen zum High Tech Raumschiff rotiert. Natürlich sind Äonen vergangen, die in den beiden Sequenzen verkürzt wurden.

Nach Eldagsens Vortrag drehte sich der Knochen in meiner Vorstellung weiter. Mit KI Tools haben wir Werkzeuge kreiert, die uns alle innerhalb einer Technik-Sekunde in die nächste Epoche katapultieren. Diesmal liegen keine Äonen dazwischen. 
Eine Epoche von noch mehr Traumbildern, Wortbildern, Gaukeleien kommt auf uns zu. Die digitale Atomisierung alles bisherigen Wissens der Welt, das jemals ins unendliche Internet gespült wurde, wirft per Texteingabe (Prompt) neue Moleküle, neues Wissen in die Welt. Oder wird hier altes Wissen zu neuem Unwissen?

Die ebensolche Atomisierung aller Kunst und Fotografie, wieder zusammengesetzt in neue Bilder, die es so nie gab und die doch alle Bilder in sich tragen. Sie dringen via Auge in unser Hirn und führen zu einem Synapsengewitter.
Wir stehen am Anfang unseres neuen Films – mit musikalischer Untermalung von Richard Strauss. Nur, zu welchen Menschen werden wir mutieren?

Zurück zur Busfahrt. Am Berliner Tor in Hamburg musste ich umsteigen. Im Bahnhof klang als Hintergrundmusik: An der schönen blauen Donau. Ein magischer Moment.

Meine ersten Experimente mit bildgenierenden Tools, vor allem Midjourney, hatten dann den Affen als Hauptmotiv. Take a look.

Affenähnliche Figur in einer seifenblasenähnlichen Bubble; via Midjourney generiert
Print Friendly, PDF & Email